Sirtaki in Coschütz

Sirtaki in Coschütz

Letzten Donnerstag war ich bei einer Veranstaltung des SPD-Ortsvereins Dresden Plauen zum Thema “Eurokrise? Schuldenkrise? Europa am Abgrund?”. Leider hörte ich nur das Ende der Ausführungen von Harald Baumann-Hasske, Rechtsanwalt und Präsident des EUSONET. Den zweiten Redner, Herrn Prof. Udo Broll vom Lehrstuhl für internationale Finanzbeziehungen an der TU Dresden, durfte ich lediglich in der abschließenden Diskussion erleben. Abendessen mit der Familie geht halt vor.

Ich fasse hier kurz zusammen, was die Teilnehmer der Veranstaltung laut den Rednern mitnehmen sollten:

  1. Der Finanzsektor ist der am stärksten regulierte Bereich der Wirtschaft.
  2. Wir haben keine Eurokrise, wir haben eine Schuldenkrise!
  3. Wir brauchen mehr Europa, am Ende steht die europäische Transferunion ähnlich dem Länderfinanzausgleich im Bund.
  4. Vor einem Jahr hätte man das Problem Griechenland mit 100 Mrd. Euro aus der Welt schaffen können.
  5. Eine Finanztransaktionssteuer muss europaweit (am besten aber global) eingeführt werden oder garnicht.
  6. Too big to fail, kann man halt nichts machen.

Ich war ein guter Gast, biss mir im Laufe der Veranstaltung kräftig auf die Zunge, überließ Anderen das Wort. Nur wenige der Anwesenden fand ich überzeugend, manche etwas naiv, einen paranoid. Am besten gefiel mir ein Rentner, der für meinen Geschack oft die richtigen Fragen stellte, allerdings kaum Antworten bekam.

Herr Prof. Boll hat in einem Punkt Recht, der Finanzsektor ist stark reglementiert. Es ist jedoch offensichtlich, dass die jetzigen Regelungen nicht ausreichen! Die Banken gehören an die kurze Leine, sie sollen die Realwirtschaft mit Geld versorgen, nicht mit Geld spielen!

Zum Thema Finanztransaktionssteuer kam von Herrn Baumann-Hasske wieder das übliche Argument: Dann stirbt die deutsche Finanzmetropole Frankfurt am Main. So ein Quatsch! Nichts dergleichen wird passieren, reine Panikmache. Ich verstehe einfach nicht, warum Politiker solches Lobbyistengeschwätz ohne Prüfung durch den gesunden Menschenverstand aufgreifen. Herr Boll sahs übrigens auch nicht so kritisch. Deutschland muss bei diesem Thema einfach mal voran gehen. Wir sind stark genug!

Auch ein schwieriges Thema an diesem Abend: Too big to fail! oder Sollte man eine Großbank pleite gehen lassen? Ich sage: Ja! Es träte, so hoffe ich, endlich ein Lerneffekt bei den Bankern ein und es entstünde auch endlich der notwendige Druck auf die Regierung, massive Änderungen (Einschränkungen) am Finanzsystem vorzunehmen. Es ist wie überall im Leben, egal ob Fußball, Haushalt oder am Arbeitsplatz, ohne Druck gehts nicht bzw. geht kaum was. Ganz nebenbei würden auch keine Unsummen an Geld vom deutschen Staat an unfähige Banken fließen. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren — damit muss endlich Schluss sein!

Nach Ende der Veranstaltung gab es Raum für das persönliche Gespräch. Ich hatte die Gelegenheit kurz mit Herrn Baumann-Hasske zu sprechen, nachdem sich der Rentner von ihm mit den Worten So werdet Ihr die Menschen nicht erreichen! verabschiedet hatte. Beide Daumen hoch dafür!

Ich sagte Herrn Baumann-Hasske, dass wir in meinen Augen beides hätten: eine Schulden- und eine Eurokrise. Dass nahezu alle Länder in Europa über ihre Verhältnisse leben ist bekannt, aber warum haben wir auch eine Eurokrise? Aufgrund der wirtschaftlichen Ungleichheit der Mitglieder des Euroraums. Deutschland z. B. exportiert Waren im großen Stil, auch nach Griechenland. Die Importeure dieser Güter kaufen jedoch häufig auf Pump, wobei das Geld hierfür zum Teil aus Deutschland bzw. von deutschen Banken stammt. Das kann nicht funktionieren! Dieses Muster erinnert mich stark an das Verhältnis von China und USA, dort läuft der Hase ähnlich. Eine Lösung hierfür wäre die europäische Transferunion ähnlich dem Länderfinanzausgleich im Bund, da hat Herr Baumann-Hasske recht. Aus Krediten würden Ausgleichszahlungen. Das Geld sähe Deutschland nie wieder. Meine Meinung dazu: Das wird es in den nächsten Jahrzehnten nicht geben. Jede Regierung oder Partei, die sich das auf die Fahnen schreibt, wird vom Wähler gnadenlos abgestraft werden! Übrigens auch von mir. Herr Baumann-Hasske wirkte ein wenig mitgenommen. Ich präferiere da die Lösung von Hans-Olaf Henkel (Nordo/Südo), wenn man denn überhaupt länderübergreifende Währungen braucht.

Warum das Problem Griechenland vor einem Jahr hätte mit 100 Mrd. Euro aus der Welt geschafft werden können, das konnte mir Herr Baumann-Hasske leider nicht erklären — leider! Dabei habe ich mehrfach nachgefragt, was denn bitteschön vor einem Jahr anders gewesen sei als heute. Weniger Schulden? Niedrigere Zinsen? Leistungsfähigere griechische Wirtschaft? Weniger Beamte? Mehr Sonne? Ich werde es wohl nie erfahren.

Zum Schluss unserer kurzen Konversation gings noch um den Hebel am Rettungsschirm. Ich fragte Ihn, wer denn so blöd sei und jetzt griechische Staatsanleihen kaufen würde? Ich spitzte zu: Würden Sie 1000€ in Griechenland investieren mit der Garantie 300€ wiederzubekommen, als Ausfallversicherung? Ja, würde er, er würde 1000€ in griechische Solaranlagen investieren. Ich konkretisierte: Nein, es geht um eine Investition ohne Zweckbindung, keine Solaranlagen! Schweigen.

Danach gabs noch eine nette Gesprächsrunde vor dem Gasthof Coschütz. Die Diskussionen zu verschiedenen Themen wie Bildung und Mindestlohn waren durchaus interessant. Als Gelegenheitscholeriker mit ganz guten Argumenten (so finde ich), kam ich nicht schlecht an, heimste sogar die Visitenkarte von Stadtrat Pallas ein. Vielleicht sieht man sich ja bald mal wieder, ich bin nicht abgeneigt.